Plattformregulierung – ein pragmatischer Ansatz für die Schweiz
- Introduction L’essenziale in breve | Posizione di economiesuisse
- Chapter 1 Die Plattformökonomie – Innovationstreiber und regulatorische Herausforderung
- Chapter 2 Charakteristik und Bedeutung der Plattformökonomie
- Chapter 3 Ausgangslage Schweiz: Handlungsbedarf und Grenzen der Regulierung
- Chapter 4 Bestehende internationale Regulierungsansätze
- Chapter 5 Politische Handlungsoptionen und Position von economiesuisse
Bestehende internationale Regulierungsansätze
Plattformregulierung in der EU: ein werteorientierter Regulierungsansatz
Die Europäische Union hat auch im Bereich der Plattformregulierung für sich in Anspruch genommen, Vorreiter in der Regulierung zu sein. Mit umfangreichen gesetzlichen Rahmenwerken sollen Nutzer geschützt, Marktstrukturen geordnet und Wettbewerbsverzerrungen verhindert werden. Zu den zentralen Regulierungsinstrumenten gehören:
- Digital Services Act (DSA): Schaffung eines sicheren digitalen Umfelds durch klare Regeln zur Bekämpfung rechtswidriger Inhalte, Transparenzpflichten für Plattformen und stärkere Durchsetzungsmechanismen.
- Digital Markets Act (DMA): Förderung des Wettbewerbs durch spezifische Vorgaben für marktmächtige Plattformen («Gatekeeper»), um Monopolisierungstendenzen einzudämmen.
- General Data Protection Regulation (GDPR): Strenge Datenschutzvorgaben, die Unternehmen zu transparenter und sicherer Verarbeitung personenbezogener Daten verpflichten.
- Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit (2023): Verstärkte Verantwortung von Plattformen für die Sicherheit der über sie vertriebenen Produkte, insbesondere durch verpflichtende Kontroll- und Meldepflichten.
Die EU setzt damit auf einen werteorientierten Regulierungsansatz, der Verbraucherschutz, Datenhoheit und Markttransparenz ins Zentrum stellt. Mit einer Vielzahl von teils sehr detaillierten Vorgaben greift sie tief in digitale Geschäftsmodelle ein.
Die damit verbundene Regulierungsdichte stellt Unternehmen jedoch zunehmend vor Herausforderungen. Gerade aufgrund der oben erläuterten Skaleneffekte führen Compliance-Kosten insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie Start-ups zu unverhältnismässig hoher Belastung. Die sehr stark an den bestehenden Plattformen ausgerichtete Regulierung birgt darüber das Risiko, dass Innovation und Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen beeinträchtigt werden. Die Regulierung sieht bereits gewisse Formen vor und lässt damit keinen Raum für neue Ideen. Solche engen Vorgaben bergen das Risiko, dass digitale Geschäftsmodelle verstärkt ausserhalb der EU entwickelt werden. Gleichzeitig geraten europäische Unternehmen durch regulatorische Unsicherheiten und hohe Kosten ins Hintertreffen.
Ob die umfassende Plattformregulierung der EU tatsächlich die angestrebten Ziele erreicht oder langfristig vor allem die digitale Innovationskraft Europas hemmt, bleibt ungewiss. In vielen Bereichen fehlt eine gefestigte Umsetzungspraxis, sodass die tatsächliche Wirksamkeit der neuen Regeln erst in den kommenden Jahren sichtbar wird. Innerhalb der EU wächst indessen die Erkenntnis, dass ein zu engmaschiger Regulierungsaktionismus den digitalen Binnenmarkt schwächen und neue Markteintrittsbarrieren schaffen könnte.
Plattformregulierung in den USA: eine Doppelstrategie zwischen Liberalismus und Sicherheitsinteressen
Die USA setzen traditionell auf marktgetriebene und innovationsfreundliche Plattformregulierung, wobei staatliche Eingriffe auf das Notwendige beschränkt bleiben. Wettbewerb und Selbstregulierung gelten als zentrale Steuerungsmechanismen, um technologische Innovation zu fördern und Unternehmen Flexibilität im Markt zu sichern.
Staatliche Eingriffe erfolgen vorrangig über das Kartellrecht. Die Federal Trade Commission (FTC) und das Justizministerium (DOJ) streben zum Teil aggressive Massnahmen gegen marktmächtige Plattformen an. Der Ausgang vieler Verfahren bleibt jedoch unter der neuen US-Administration ungewiss. Während einige politische Akteure für eine härtere Gangart gegenüber Tech-Konzernen plädieren, gibt es starke wirtschaftspolitische Stimmen, die Überregulierung als Innovationshemmnis betrachten.
Neben kartellrechtlichen Fragen gewinnt die Plattformregulierung in den USA zunehmend eine sicherheitspolitische Dimension.
Ein besonders umstrittenes Thema ist der Umgang mit chinesischen Handelsplattformen wie Shein und Temu, die durch Direktlieferungen und aggressive Preissetzung den US-Einzelhandel unter Druck setzen. Eine mögliche Senkung der Zollfreigrenzen könnte diese Anbieter gezielt treffen und als Markteintrittsbarriere interpretiert werden. Wie sich die US-Plattformregulierung unter der neuen Administration weiterentwickeln wird, bleibt damit ungewiss.
Plattformregulierung in China: ein staatspolitischer Regulierungsansatz
China verfolgt eine staatlich gesteuerte Plattformregulierung, die wirtschaftliche Kontrolle eng mit politischen Zielen verbindet. Während die Regierung zunächst ein wachstumsförderndes Umfeld für Unternehmen wie Alibaba, Tencent und ByteDance schuf, setzt sie mittlerweile verstärkt auf Regulierung und staatliche Kontrolle.
- Kartellrechtliche Massnahmen: Unternehmen wie Alibaba und Tencent wurden verpflichtet, ihre Marktpraktiken anzupassen. Beispielsweise wurde der Börsengang der FinTech-Tochter Ant Group gestoppt, und Tencent sah sich mit Beschränkungen im Bereich der Videospielindustrie konfrontiert.
- Politische Kontrolle: Plattformen sind verpflichtet, Nutzerdaten an staatliche Stellen weiterzugeben und Technologien zur Überwachung und Zensur zu entwickeln.
Dazu gehören strikte Datenspeichervorschriften und Algorithmen zur Inhaltsmoderation. Diese Eingriffe haben das Wachstum chinesischer Technologieunternehmen verlangsamt und das Vertrauen internationaler Investoren geschwächt. Gleichzeitig geraten chinesische Plattformen wie TikTok, Shein und Temu im Ausland zunehmend unter regulatorischen Druck. Auch in der Schweiz gibt es bereits politische Vorstösse, welche auf Temu fokussieren. Währenddessen verdichten sich Vermutungen, dass international tätige chinesische Plattformen teils von erheblicher staatlicher Unterstützung profitieren, was günstige Angebote ermöglicht und dadurch auch zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führt.
Chinas Plattformstrategie verdeutlicht die enge Verknüpfung von wirtschaftlicher Kontrolle, politischer Steuerung und geopolitischen Interessen. Digitale Plattformen sind dort nicht nur Marktakteure, sondern auch Instrumente staatlicher Einflussnahme gerade auch im Ausland.
Die EU setzt unter anderem mit DSA und DMA auf strenge Regulierung für Verbraucherschutz, Markttransparenz und fairen Wettbewerb. Doch hohe Compliance-Kosten könnten KMU und Start-ups belasten und Innovation bremsen. Ob die Regulierung den digitalen Binnenmarkt stärkt oder schwächt, bleibt offen.
