Brieftasche mit Masken

Au­gen­wi­sche­rei bei den Co­ro­na-Schul­den: ein Fran­ken kann nur einen Fran­ken Schul­den til­gen

Der Abbau der Co­ro­na-Schul­den ist wei­ter im Ge­spräch. Mit einem Trick soll die Hälf­te des 30-Mil­li­ar­den-Fehl­be­trags zum Ver­schwin­den ge­bracht wer­den. Das Vor­ge­hen ist so un­nö­tig wie falsch. Der Bun­des­rat hat einen Plan vor­ge­legt, der sämt­li­che Schul­den wäh­rend eines län­ge­ren Zeit­raums, aber ver­bind­lich ab­baut. eco­no­mie­su­is­se un­ter­stützt den mass­vol­len und rea­lis­ti­schen Plan.

Der Bund darf sich im Prin­zip nicht neu ver­schul­den – das ver­bie­tet die Schul­den­brem­se. Eine Aus­nah­me stel­len aus­ser­or­dent­li­che Si­tua­tio­nen dar. Die Co­ro­na-Pan­de­mie war bzw. ist eine sol­che aus­ser­or­dent­li­che Si­tua­ti­on. Der Bund hat von der Mög­lich­keit, zur Fi­nan­zie­rung von Hilfs­mass­nah­men aus­ser­or­dent­li­che Schul­den auf­zu­neh­men, aus­gie­big Ge­brauch ge­macht. Gegen 30 Mil­li­ar­den Fran­ken wird der Fehl­be­trag am Ende wohl be­tra­gen. Die Schul­den­brem­se ver­langt, dass auch aus­ser­or­dent­li­che Schul­den ab­ge­baut wer­den. Der Bun­des­rat hat eine Lö­sung vor­ge­schla­gen, die zum Abbau viel Zeit lässt (bis 2039) und weder Ein­spa­run­gen noch Steu­er­er­hö­hun­gen er­for­dert. Für den Schul­den­ab­bau wer­den Über­schüs­se ver­wen­det, so­weit sie Ende Jahr in der Rech­nung des Bun­des vor­lie­gen. Dazu kom­men Ge­winn­aus­schüt­tun­gen der Schwei­ze­ri­schen Na­tio­nal­bank (SNB), die die mitt­le­re Aus­schüt­tung der letz­ten Jahre über­stei­gen (sog. Zu­satz­aus­schüt­tun­gen; die «Grund­aus­schüt­tung» be­trägt 670 Mil­lio­nen Fran­ken). Der Ein­satz von Über­schüs­sen für den Schul­den­ab­bau ist nichts Neues – er ent­spricht der gel­ten­den Regel im Ge­setz. Neu ist ein­zig, dass die Über­schüs­se ge­zielt für den Abbau der Co­ro­na-Schul­den ver­wen­det wer­den. Auch der Ein­satz der SNB-Gel­der ist sinn­voll. Mit Zu­satz­aus­schüt­tun­gen ist nicht re­gel­mäs­sig zu rech­nen. Den Bun­des­haus­halt mit sol­chen Gel­dern zu fi­nan­zie­ren ist des­halb ge­fähr­lich. Wenn die Mit­tel nicht flies­sen, weil die SNB Ver­lus­te macht, feh­len sie im Haus­halt und es braucht Ein­spa­run­gen. Für den Schul­den­ab­bau, der sich Zeit neh­men kann, sind die Mit­tel ideal.

Rea­lis­ti­scher Plan für den Co­ro­na-Schul­den­ab­bau

Der Plan des Bun­des­rats für den Abbau der Co­ro­na-Schul­den ist mass­voll und rea­lis­tisch – und dazu «mi­ni­mal-in­va­siv»: Ge­set­zes­än­de­run­gen braucht es, ab­ge­se­hen von der Ver­län­ge­rung der Amor­ti­sa­ti­ons­frist, keine. Sämt­li­che Prin­zi­pi­en und Me­cha­nis­men des Bun­des­haus­halts ein­schliess­lich der Schul­den­brem­se blei­ben un­an­ge­tas­tet. Alles gut, würde man mei­nen.

Keine Buch­hal­ter­tricks, bitte!

Den­noch hat der Na­tio­nal­rat, der die Vor­la­ge zu­erst be­ra­ten hat, an­ders ent­schie­den. Ver­bind­lich ab­ge­baut wer­den soll le­dig­lich die Hälf­te der Schul­den. Die an­de­re Hälf­te soll mit einem Trick zum Ver­schwin­den ge­bracht wer­den: «Alte» Über­schüs­se – Über­schüs­se, die der Bund in frü­he­ren Jah­ren ge­tä­tigt hat – wer­den mit «neuen» Schul­den ver­rech­net. Auf diese Weise wird der ganze Fehl­be­trag auf dem Pa­pier eli­mi­niert. Dumm nur, dass alte Über­schüs­se nicht in Form von Geld in ir­gend­ei­nem Tre­sor des Bun­des lie­gen, son­dern wie dar­ge­stellt zur Til­gung von frü­he­ren Schul­den (vor allem der 1990er-Jahre) längst aus­ge­ge­ben wur­den. Die Über­schüs­se sind le­dig­lich noch als Merk­pos­ten auf einem Konto re­gis­triert, in Fran­ken und Rap­pen exis­tie­ren sie nicht mehr. Der Na­tio­nal­rat hat de facto be­schlos­sen, mit dem glei­chen Fran­ken alte und neue Schul­den gleich zwei­mal zum Ver­schwin­den zu brin­gen. Weil das nicht geht bzw. nur in der Buch­hal­tung, bleibt nach dem Be­schluss des Na­tio­nal­rats ef­fek­tiv die Hälf­te der Co­ro­na-Schul­den ste­hen. Was mit die­ser Hälf­te ge­schieht, wird nicht ge­re­gelt. Man steckt den Kopf in den Sand.

Stän­de­rat ist nun ge­for­dert, Ver­ant­wor­tung zu tra­gen

Der Stän­de­rat ist nun als Zweitrat am Zug. Es ist zu hof­fen, dass er nicht die glei­che Au­gen­wi­sche­rei be­trei­ben wird, son­dern zur po­li­ti­schen Ver­ant­wor­tung steht: Wer Aus­ga­ben be­schliesst, und sei die Si­tua­ti­on noch so aus­ser­or­dent­lich, soll auch fest­le­gen, wie die Be­zah­lung er­folgt. Die lange Zeit­dau­er der Schul­de­n­a­mor­ti­sa­ti­on, die am Plan des Bun­des­rats kri­ti­siert wurde, ist nicht das Pro­blem. Das Ab­stot­tern gros­ser Be­trä­ge dau­ert län­ger. Ent­schei­dend ist, dass die ver­bind­li­che Ver­pflich­tung zur Schul­den­til­gung be­steht. Die Schul­den­brem­se wurde vor 20 Jah­ren ein­ge­führt, und zwar genau, um ein Schul­den­ma­chen ins Blaue zu ver­hin­dern. Das Ziel war da­mals nicht zu­letzt die Ge­ne­ra­tio­nen­ge­rech­tig­keit. Sie gilt heute un­ver­än­dert. Die Co­ro­na-Mass­nah­men des Bun­des haben uns ge­hol­fen, und wir soll­ten dafür be­zah­len.