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Institutionenreform gestartet – Bundesrat anerkennt Handlungsbedarf im Kartellrecht

Das Wichtigste in Kürze:

  • ​​Der Bundesrat hat am Freitag die Vernehmlassung zur Reform der Institutionen im Kartellverfahren eröffnet. ​
  • Er anerkennt bestehende Defizite – bleibt in seinen Vorschlägen aber zu zurückhaltend. ​
  • Für faire und wirksame Verfahren braucht es klare Zuständigkeiten, funktionale Rollentrennung und fachlich spezialisierte Entscheidinstanzen.​

​​Am Freitag hat der Bundesrat die Vernehmlassung zur institutionellen Reform der Wettbewerbsbehörden eröffnet. Damit bestätigt er offiziell, was Politik, Wissenschaft und Wirtschaft seit Langem kritisieren: Die heutige Struktur der Wettbewerbskommission (WEKO) weist grundlegende Mängel auf. Dieser Schritt ist richtig und überfällig. Doch so begrüssenswert die Anerkennung des Reformbedarfs ist – der Vorschlag bleibt mutlos. Zwar zielen die Ansätze in die richtige Richtung, doch eine konsequente strukturelle Neuausrichtung der Wettbewerbsaufsicht bleibt aus.

​Rechtsstaatliche Standards stärken ​

Kartellverfahren können schwerwiegende Folgen haben: Millionenbussen, jahrelange Verfahren und erhebliche Reputationsschäden – oft schon vor einem rechtskräftigen Entscheid. Umso wichtiger ist es, dass die Verfahrensstrukturen höchsten rechtsstaatlichen Standards genügen. Dies ist aktuell nicht gewährleistet: Untersuchung, Anklage und Entscheid sind institutionell nicht getrennt. Das Sekretariat der WEKO leitet nicht nur die Verfahren, sondern bereitet auch die Entscheide vor und nimmt damit entscheidenden Einfluss auf deren Ausgang. Die Kommission selbst, mehrheitlich nur nebenamtlich tätig, ist in der Praxis stark auf die Vorarbeit des Sekretariats angewiesen.

Bundesrat erkennt Missstände – setzt aber auf minimale Korrekturen

​Die Vorschläge des Bundesrats gehen in die richtige Richtung: Formale Rollentrennung, frühzeitigere Parteibeteiligung und punktuelle Verbesserungen im Beschwerdeverfahren sind Schritte vorwärts. Doch die Verfahrensstruktur bleibt im Kern unverändert – und mit ihr das Risiko institutioneller Verzerrungen. Aus Sicht von economiesuisse greift das zu kurz. Das Kartellverfahren muss rechtsstaatlich einwandfrei, nachvollziehbar und verhältnismässig ausgestaltet sein.. Dafür braucht es eine klare funktionale Trennung der Rollen im Verfahren. Nur so kann die Wettbewerbsaufsicht fair, durchsetzungsstark und wirtschaftsverträglich ausgestaltet werden.

Auch das Parlament fordert Reformen

​Anfang Juni hat das Parlament mit der Annahme der Motion 23.3224 deutlich gemacht: Es braucht eine umfassende strukturelle Reform, nicht nur kosmetische Anpassungen. Die Motion verlangt eine «funktionale Trennung» von Anklage und Entscheid sowie eine grundlegende Überprüfung der Kompetenzen und der Verfahrensordnung. Der Bundesrat nimmt das Anliegen auf – doch ohne den nötigen Mut zur Systemkorrektur.

​economiesuisse bringt sich konstruktiv in die Diskussion ein

​Die Wirtschaft begrüsst, dass der Bundesrat den Reformbedarf im Kartellverfahren anerkennt. Entscheidend ist nun, dass daraus mehr als punktuelle Anpassungen entstehen. Gefragt ist ein kohärentes Verfahren mit einer sauberen Trennung von Untersuchung, Anklage und Entscheid, wirksamen Verteidigungsrechten und beschleunigten Abläufen. Dafür setzt sich economiesuisse ein praxistaugliches Gerichtsmodell ein: mit der WEKO als Anklagebehörde und einem spezialisierten Wettbewerbsgericht als entscheidender Instanz.

​Die nun eröffnete Vernehmlassung zur Institutionenreform ist nicht isoliert zu betrachten. Sie steht in engem Zusammenhang mit den materiellen Anpassungen im Kartellgesetz, die derzeit im Parlament beraten werden. Beide Reformstränge bedingen sich gegenseitig: Eine modernisierte Wettbewerbsaufsicht kann ihre Wirkung nur entfalten, wenn auch die institutionellen Grundlagen stimmen – und umgekehrt. Der Nationalrat hat in der materiellen Reform einen ausgewogenen Kompromissvorschlag vorgelegt und ist damit konstruktiv auf den Ständerat zugegangen.

​Wir werden uns mit konkreten Vorschlägen und in konstruktivem Geist in der Vernehmlassung einbringen – für eine faire, durchsetzungsstarke und zukunftsfähige Wettbewerbsaufsicht.