Klima Forscher

​​Zielvereinbarungen: Ein Erfolgsmodell mit unsicherer Zukunft​

Das Wichtigste in Kürze: 

  • Seit 2013 hat die Schweizer Industrie dank freiwilliger Zielvereinbarungen über 1,2 Millionen Tonnen CO2 einsparen können, mehr als alle Zürcher Haushalte jährlich verursachen. 
  • Mit den Zielvereinbarungen werden effiziente Massnahmen und technologische Innovationen gefördert – doch strengere Vorgaben stellen energieintensive Betriebe und solche mit bestehenden Vereinbarungen vor neue Herausforderungen. 
  • Nur mit einfachen, praxistauglichen Regeln bleibt das Modell attraktiv und sichert den Weg zu Netto-Null.

​​Im vergangenen Jahr reduzierte die Schweizer Industrie ihre CO2-Emissionen um zusätzliche 67'000 Tonnen – deutlich mehr als erwartet und ein klarer Aufwärtstrend. Im Vergleich zu 2013 haben Schweizer Unternehmen insgesamt über 857'000 Tonnen CO2 eingespart. Damit haben sie die Ziele nicht nur erreicht, sondern deutlich übertroffen: Insgesamt bedeutet das eine Zielübererfüllung von 11.5 Prozentpunkten gegenüber dem mit dem Bund vereinbarten Pfad. Laut Treibhausgasinventar des Bundes ist die Industrie der einzige Sektor, der seine Klimaziele konsequent erfüllt oder übertroffen hat. Heute verursacht der Werkplatz Schweiz nur noch halb so viele CO2-Emissionen wie 1990, bei verdoppelter Bruttowertschöpfung. 

​Zielvereinbarungen funktionieren und Umwelt profitiert 

​Die Zielvereinbarungen sind ein freiwilliges Klimaschutzinstrument, das sich in der Praxis bewährt hat. Unternehmen verpflichten sich dabei gegenüber dem Bund, ihre CO2-Emissionen durch wirtschaftlich umsetzbare Massnahmen zu reduzieren. Diese reichen von Effizienzsteigerungen in der Produktion über Investitionen in klimafreundliche Technologien bis hin zu Umstellungen auf erneuerbare Energien. Im Gegenzug erhalten die Unternehmen die auf Brennstoffen erhobene CO2-Lenkungsabgabe zurückerstattet – vorausgesetzt, sie erfüllen ihre Ziele. Diese Rückerstattung deckt zwar nur einen Teil der Investitionskosten, doch die Unternehmen sparen dank höherer Energieeffizienz auch laufend Energiekosten.  

​Damit entsteht eine «Win-win»-Lösung: Emissionen werden dort gesenkt, wo es am effizientesten ist. Zugleich werden Arbeitsplätze gesichert und der Produktionsstandort Schweiz gestärkt. Und auch die Umwelt profitiert, da durch das Zielvereinbarungssystem viel CO2 gar nicht erst ausgestossen wird. 

​Neue Vorgaben stellen das Modell in Frage 

​Um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, sind in den kommenden Jahren weiterhin grosse Anstrengungen nötig. Die Zielvereinbarungen haben sich dabei als wirksames Instrument bewährt, um Unternehmen zu freiwilligen Klimaschutzmassnahmen zu motivieren. Erstmals ist die Zahl der teilnehmenden Betriebe jedoch leicht rückläufig: Ende 2024 waren 4’715 Unternehmen bei der Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW) angeschlossen – 41 weniger als im Vorjahr. Gründe dafür sind vor allem strukturelle Veränderungen wie Schliessungen oder Fusionen. 

​Seit Januar 2025 gelten mit der revidierten CO2-Verordnung nun aber auch verschärfte Anforderungen: Unternehmen müssen eine jährliche Reduktion von 2.25 Prozent erzielen. Auch die Kriterien für wirtschaftlich umsetzbare Massnahmen wurden angepasst. Gerade für energieintensive Betriebe oder solche mit bereits hohem Effizienzgrad bedeutet dies zusätzliche Herausforderungen. Hinzu kommt, dass es klimapolitisch widersinnig ist, wenn Vorreiter mit hohen Vorleistungen denselben Reduktionspfad einhalten müssen wie Neueinsteiger. Diese Verschärfungen sind nicht praxistauglich und werden dazu führen, dass einige Unternehmen keine Zielvereinbarung mehr abschliessen und wohl auch weniger CO2 einsparen. Es ist daher auch für den Klimaschutz entscheidend, dass die Zielvereinbarungen auch künftig attraktiv bleiben. 

​Weichen zum Erreichen der Klimaziele richtigstellen  

​Um die Reduktionserfolge der Vergangenheit auch in Zukunft fortzuschreiben, braucht es vorausschauende politische Rahmenbedingungen. Denn der Weg zu Netto-Null bis 2050 ist anspruchsvoll und lässt sich nur gemeinsam mit der Wirtschaft gehen. Die Zielvereinbarungen haben gezeigt, wie es gelingen kann: Sie verbinden effektive Emissionseinsparungen mit der Sicherung von Wettbewerbsfähigkeit und Standortqualität. Sie motivieren zur Innovation, fördern Investitionen in moderne Technologien und stärken gleichzeitig das Bewusstsein für Klimaschutz und die Eigenverantwortung der Unternehmen. 

​Ambitionierter Klimaschutz darf nicht in administrativer Komplexität ersticken. Statt immer neue Detailvorgaben braucht es klare, einfache und praxistaugliche Regeln – gerade für kleinere und mittlere Unternehmen. Nur so bleibt das System für Unternehmen attraktiv und für das Klima wirksam. Die Schweiz kann eine Vorreiterrolle im Klimaschutz vornehmen, wenn sie Emissionsreduktionen und Wirtschaft unter einen Hut bringt. Wenn sie das nicht schafft, wird das gute Beispiel international sonst schnell zum abschreckenden Beispiel. ​