Berufsbegleitendes Studium: Ein oft ignoriertes Erfolgsmodell
- Einleitung Das Wichtigste in Kürze | Position economiesuisse
- Kapitel 1 Polarisierung auf dem Arbeitsmarkt
- Kapitel 2 An Fachhochschulen dominiert das Vollzeitstudium
- Kapitel 3 Berufsbegleitendes Studium macht den Unterschied
- Kapitel 4 Richtige Anreize setzen
- Kapitel 5 Fazit: Berufsbegleitende Studiengänge sind zu forcieren
Berufsbegleitendes Studium macht den Unterschied
Eine Studie der ETH Zürich (Quelle: Macht Berufserfahrung den Unterschied aus? Die Bedeutung von Berufserfahrung für einen reibungslosen Übergang in die Berufswelt - Research Collection) untersuchte den Einfluss von Berufserfahrung auf den Übergang in die Arbeitswelt. Die Ergebnisse zeigen, dass ein berufsbegleitendes Studium deutliche Vorteile bietet: Studierende, die während ihres Studiums auf dem Fachgebiet mit einem Pensum von durchschnittlich 60 bis 80 Prozent arbeiten, müssen rund 70 Prozent weniger Bewerbungen schreiben. Zudem sinkt die Wahrscheinlichkeit, nach dem Abschluss ein Praktikum absolvieren zu müssen, von 10 auf 2 Prozent. Darüber hinaus verdienen Absolventinnen und Absolventen eines berufsbegleitenden Studiums im Schnitt 8'800 Franken mehr pro Jahr. Berufserfahrung während des Studiums erleichtert somit nicht nur den Übergang in den Arbeitsmarkt, sondern führt auch zu besseren Karrierechancen und einem höheren Einstiegsgehalt.
Vorteile berufsbegleitender Studiengänge
economiesuisse hat im Rahmen einer Umfrage zum berufsbegleitenden und Teilzeitstudium von 238 Unternehmen und 42 Fachhochschul-Departementen3 eine qualifizierte Rückmeldung erhalten. Die Ergebnisse zeigen ein grosses Interesse an diesen Studienmodellen. Sowohl die Fachhochschulen als auch die Unternehmen unterstützen diese Form des Studiums, um für Studierende bzw. Mitarbeitende attraktiv zu sein. Die detaillierte Auswertung zur Umfrage finden Sie hier.
Aus Sicht der Wirtschaft ist das Wachstum der Bachelorstudierenden, die berufsbegleitend studieren, erfreulich. Da der Unterricht an der Fachhochschule üblicherweise maximal an zwei Wochentagen plus teilweise am Samstag stattfindet, ist eine Anstellung von bis zu 60 Prozent möglich. Die Umfrage zeigte, dass die Studierenden im Mittel mit einem Pensum von gut 70 Prozent tätig sind. Die berufsbegleitenden Studierenden sind grösstenteils im Arbeitsmarkt integriert und als Fachkraft weiterhin einsetzbar. Die produktiven Arbeitsstunden dieser Studierenden sind entsprechend höher als in einem Vollzeitstudium. Das lindert den Fachkräftemangel. Durch die gesicherte Beschäftigung von fast 70 Prozent können sich die Studierenden im Vergleich zum Vollzeitstudium ein selbstständiges Leben besser finanzieren.
Die Umfrage von economiesuisse bestätigt, dass das Teilzeitstudium an Fachhochschulen den Fachkräftemangel lindert: Viele Studierende sind nicht nur erwerbstätig, um ihr Studium zu finanzieren, sondern arbeiten in einem Berufsfeld, das in direktem Zusammenhang mit ihrem Studium steht. Laut Angaben der Unternehmen besteht in 88 Prozent der Fälle ein direkter Bezug zwischen dem Fachhochschulstudium ihrer Mitarbeitenden und der beruflichen Tätigkeit (vgl. Abbildung 3).
Gleichzeitig erklärten 76 Prozent der Fachhochschulen, dass ihre Studierenden (teilweise) Themen oder Projekte aus ihrer beruflichen Tätigkeit für Semester- oder Abschlussarbeiten nutzen (vgl. Abbildung 4).
Die Umfrageergebnisse zeigen, dass Studierende durch ihre berufliche Tätigkeit die Möglichkeit haben – und diese auch nutzen – um das an der Fachhochschule erworbene Wissen direkt in der Praxis an realen Projekten oder Aufgabenstellungen anzuwenden. Der Praxisbezug motiviert Studierende, nebst dem Studium erwerbstätig zu sein: 72 Prozent der Studierenden geben an, dass sie praktische Tätigkeit und Studieninhalte verknüpfen möchten (Quelle: Studien- und Lebensbedingungen an den Schweizer Hochschulen - Hauptbericht der Erhebung 2020 zur sozialen und wirtschaftlichen Lage der Studierenden | Publikation | Bundesamt für Statistik (admin.ch)). Wegen dieser Verknüpfung ist oft auch die Qualität des Präsenzstudiums und des selbstorganisierten Lernens höher. Das führt erfahrungsgemäss zu besseren Lernresultaten.
Auch die Fachhochschulen selbst sehen darin einen klaren Vorteil: Sie bieten berufsbegleitende und Teilzeitstudiengänge gezielt an, um leistungsfähigere und motiviertere Studierende zu gewinnen. Dass Studierende ihr Studium mit einer beruflichen Tätigkeit verbinden, wirkt sich nicht nur positiv auf das nachhaltige Lernen aus, sondern stärkt auch den Wissenstransfer zwischen den Fachhochschulen und der Wirtschaft. Genau dieser Austausch wird von den Unternehmen besonders geschätzt, da sie vom aktuellen Wissen der Fachhochschulen profitieren. Daher übernehmen gut 70 Prozent der befragten Unternehmen entweder einen Teil oder sogar die gesamten Ausbildungskosten ihrer Mitarbeitenden. So gelingt es ihnen, qualifizierte Fachkräfte langfristig an das Unternehmen zu binden und deren berufliche Entwicklung gezielt zu fördern.
Handlungsbedarf bei der Anerkennung von Berufserfahrung
Die Fachhochschulen profitieren auch von einem engeren Kontakt zu den Unternehmen, da sie so ihr Curriculum marktorientierter ausrichten können. Allerdings fördern sie das berufsbegleitende Studium nicht in gleichem Masse wie die Unternehmen. So rechnen weniger als die Hälfte der befragten Fachhochschulen ihren berufsbegleitenden Studierenden eine zum Studium passende Berufstätigkeit in Form von ECTS-Punkten an (vgl. Abbildung 5).
Hier besteht Handlungsbedarf: Fachhochschulen sollten die Berufstätigkeit ihrer Studierenden stärker anerkennen und vermehrt in Form von ECTS-Punkten anrechnen. Das würde die Attraktivität berufsbegleitender Studiengänge weiter erhöhen.