Ehepaar mit Prosecco

Parlament beschliesst Individualbesteuerung

Das Wichtigste in Kürze:

  • Zweitverdienende, meist Frauen, sollen durch die Individualbesteuerung steuerlich entlastet und ihre Erwerbsanreize verbessert werden.
  • In der Sommersession erhielt die Reform in der Schlussabstimmung eine knappe Mehrheit.
  • economiesuisse unterstützt den Systemwechsel zur Bekämpfung des Fachkräftemangels.

Mit ihrer Volksinitiative fordern die FDP-Frauen eine Reform des Steuersystems, um die sogenannte Heiratsstrafe abzuschaffen und die Erwerbsanreize für Zweitverdienende – meist Frauen – zu stärken. In der Sommersession befasste sich der Ständerat als Zweitrat mit der «Steuergerechtigkeits-Initiative» sowie dem dazugehörigen indirekten Gegenvorschlag. Beide verfolgen dasselbe Ziel: die Einführung der Individualbesteuerung, bei der künftig alle Personen unabhängig vom Zivilstand einzeln besteuert werden sollen. Ziel der Vorlagen ist es, die steuerliche Benachteiligung verheirateter Paare gegenüber Konkubinatspaaren zu beseitigen. Bereits 1984 hatte das Bundesgericht die steuerliche «Heiratsstrafe» als verfassungswidrig eingestuft. In den Kantonen wurden die Steuersysteme inzwischen angepasst, doch auf Bundesebene fehlt bis heute eine umfassende Lösung.

National- und Ständerat einigten sich in der Sommersession auf einen Kompromiss, der von FDP, GLP, SP und Grünen getragen wurde. In der Schlussabstimmung erhielten sowohl Initiative wie Gegenvorschlag eine knappe Mehrheit.

Bessere Erwerbsanreize lindern Fachkräftemangel

economiesuisse unterstützt in einem Grundsatzbeschluss die Einführung der Individualbesteuerung. Die Individualbesteuerung schafft zusätzliche Erwerbsanreize für Zweitverdienende und hilft, bislang ungenutztes Arbeitskräftepotenzial zu mobilisieren. Dass vorhandene Fachkräfte möglichst gut genutzt werden, ist wichtig mit Blick auf den Arbeitskräftemangel, der sich in Zukunft noch akzentuieren wird.

Die Abschaffung der steuerlichen Heiratsstrafe ist auch das Ziel der Mitte-Initiative «Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare – Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!». Diese Volksinitiative ist in den Räten hängig und kommt wohl 2026 zur Abstimmung. Auch diese Initiative verbessert die Erwerbsanreize, allerdings vermutlich weniger stark wie die Individualbesteuerung. Dies, weil die Initiative nur den Bund betrifft. Die Individualbesteuerung verlangt einen vollständigen Systemwechsel, der sich auch auf die Besteuerung der Ehepaare in den Kantonen und Gemeinden bezieht. Trotz Massnahmen können dort Ehepaare nach wie vor steuerlich benachteiligt werden. Im Fall der Individualbesteuerung wäre dies ausgeschlossen.

Da es sich bei der Individualbesteuerung um einen grundlegenden Systemwechsel handelt, ist mit einem Referendum gegen den Gegenvorschlag zu rechnen – womit letztlich das Stimmvolk das letzte Wort hätte. Die FDP-Frauen als Initiantinnen haben sich zum weiteren Vorgehen bislang nicht geäussert. Angesichts des drohenden Referendums ist jedoch davon auszugehen, dass sie ihre Initiative nicht zurückziehen werden.