
Individualbesteuerung: Auch Ständerat sagt Ja
Das Wichtigste in Kürze:
- National- und Ständerat unterstützen einen Kompromiss für eine zivilstandsunabhängige Einkommensbesteuerung.
- Die Vorlage kommt am 20. Juni in die Schlussabstimmung.
- Das letzte Wort dürfte beim Volk liegen.
Der Ständerat befasste sich erneut mit der sogenannten «Steuergerechtigkeits-Initiative» sowie dem entsprechenden indirekten Gegenvorschlag. Beide fordern eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung – das heisst: Alle Personen sollen unabhängig vom Familienstand einzeln besteuert werden. National- und Ständerat haben sich nun auf einen Kompromiss verständigt, der von FDP, GLP, SP und Grünen getragen wird und in beiden Kammern eine knappe Mehrheit fand. Ziel ist es, die umstrittene «Heiratsstrafe» abzuschaffen – also die steuerliche Benachteiligung verheirateter Paare gegenüber unverheirateten. economiesuisse spricht sich für die Individualbesteuerung aus, da sie gerade in Zeiten des Fachkräftemangels Anreize für eine höhere Erwerbsbeteiligung schafft.
Die Diskussion um die faire Besteuerung von Ehepaaren ist nicht neu: Bereits 1984 erklärte das Bundesgericht die sogenannte Heiratsstrafe für verfassungswidrig. Die Kantone haben seither Anpassungen vorgenommen, um diese abzuschaffen; auf Bundesebene konnte bisher noch keine Lösung gefunden werden. Mit der Individualbesteuerung soll diese Ungleichbehandlung nun endgültig beseitigt werden. Vorgesehen ist, dass alle steuerpflichtigen Personen künftig unabhängig vom Zivilstand individuell veranlagt werden.
Individualbesteuerung auf der Zielgeraden
Das Parlament hat sowohl die Initiative der FDP-Frauen als auch den Gegenvorschlag nur mit hauchdünner Mehrheit angenommen – mit Stichentscheid des Ständeratspräsidenten. Ein Scheitern des Vorhabens in der Schlussabstimmung am Ende der Sommersession ist deshalb nicht ausgeschlossen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Reform verabschiedet wird. Weil es sich dabei um einen grundlegenden Systementscheid handelt, ist es möglich, dass dagegen das Referendum ergriffen wird. In diesem Fall hätte die Bevölkerung das letzte Wort. Die FDP-Frauen als Initiantinnen haben sich bisher noch nicht zum weiteren Vorgehen geäussert. Aufgrund des drohenden Referendums zum Gegenvorschlag ist aber davon auszugehen, dass sie ihre Initiative nicht zurückziehen werden.
Alternative Strategie der Mitte-Partei
Parallel dazu verfolgt die Mitte-Partei ihre eigene Initiative: «Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare – Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!». Ziel dieser Vorlage ist es, die steuerliche Benachteiligung von Ehepaaren zu beseitigen – allerdings bei Beibehaltung gemeinsamer Besteuerung und lediglich auf Bundesebene. Auch die SVP unterstützt die Abschaffung der Heiratsstrafe innerhalb des bestehenden Systems. Möglicherweise könnte die jahrzehntelange Diskussion um die «richtige» Besteuerung der Ehepaare mit der gleichzeitigen Abstimmung über beide Steuermodelle abgeschlossen werden.