Plattformregulierung – ein pragmatischer Ansatz für die Schweiz
- Einleitung Das Wichtigste in Kürze | Position economiesuisse
- Kapitel 1 Die Plattformökonomie – Innovationstreiber und regulatorische Herausforderung
- Kapitel 2 Charakteristik und Bedeutung der Plattformökonomie
- Kapitel 3 Ausgangslage Schweiz: Handlungsbedarf und Grenzen der Regulierung
- Kapitel 4 Bestehende internationale Regulierungsansätze
- Kapitel 5 Politische Handlungsoptionen und Position von economiesuisse
Charakteristik und Bedeutung der Plattformökonomie
Was sind Plattformen?
Plattformen vernetzen verschiedene Marktseiten. Sie schaffen damit als Intermediäre Mehrwert durch effiziente Koordination und Optimierung von Transaktionen. Gesamthaft sind sie mehr als blosse Vermittler. Sie bilden die strukturelle Grundlage moderner Geschäftsmodelle.
Das Besondere an Plattformen liegt in ihrem «Regelwert», der die Rahmenbedingungen für Interaktionen zwischen Nutzern festlegt. Dieser geht über die blosse Bereitstellung einer technischen Infrastruktur hinaus: Er koordiniert Transaktionen, definiert Qualitätsstandards (etwa durch Zugangs- und Rankingentscheidungen) und ermöglicht durch den Einsatz datenbasierter Mechanismen eine dynamische Marktsteuerung. In vielen Fällen fungieren Plattformen damit nicht nur als passive Marktplätze, sondern gestalten aktiv die Marktbedingungen und Wettbewerbsstrukturen.
Plattformtypen: Differenzierung und hybride Geschäftsmodelle
Die Vielfalt der Plattformmodelle macht eine präzise Kategorisierung schwierig. Dennoch lassen sich in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur einige grundlegende Typen unterscheiden. Ein verbreiteter Ansatz stammt von Evans und Gawer, die vier zentrale Plattformkategorien identifizieren:
- Transaktionsplattformen: Sie ermöglichen den Austausch von Waren und Dienstleistungen (z.B. Online-Marktplätze wie Amazon Marketplace, Airbnb, ebay oder Temu, oder digitale Vermittlungsdienste wie Uber).
- Innovationsplattformen: Sie dienen als Grundlage, auf der andere Unternehmen (lose organisiert oder in einem innovativen Ökosystem) komplementäre Technologien, Produkte oder Dienstleistungen entwickeln (z.B. Microsoft Windows, Google Android, iOS).
- Integrationsplattformen: Sie vereinen verschiedene Funktionen und Dienste innerhalb eines einheitlichen Ökosystems und kombinieren Elemente von Transaktions- und Innovationsplattformen. Diese Plattformen bieten sowohl eine technologische Infrastruktur als auch einen Marktplatz für Drittanbieter. Ein typisches Beispiel sind App Stores, die Entwicklern eine Plattform zur Distribution von Anwendungen bereitstellen (Innovationsplattform), während sie gleichzeitig als Marktplatz für den Kauf und Verkauf dieser Apps fungieren (Transaktionsplattform).
- Investmentplattformen: Diese Plattformen dienen als Kapitalgeber und fördern Start-ups oder Innovationsprojekte, indem sie als Holdinggesellschaften für mehrere Plattformunternehmen agieren oder gezielt in Plattformunternehmen investieren, ohne selbst eine bedeutende Plattform zu betreiben (z.B. SoftBank Vision Fund, Rocket Internet).
In der Praxis verschwimmen die Grenzen dieser Kategorien zunehmend. Unternehmen wie Amazon, Alibaba oder Apple kombinieren verschiedene Plattformmodelle in einem umfassenden Ökosystem. Dies ermöglicht Skaleneffekte, stärkere Kundenbindung und Kontrolle über Wertschöpfungsstufen.
Plattformen als dynamische Gebilde sind in der Lage, sich stetig an technologische Entwicklungen, Marktbedingungen, aber auch regulatorische Rahmenbedingungen anzupassen. Ihr hybrider Charakter erfordert eine differenzierte Betrachtung in regulatorischen und wettbewerbsökonomischen Diskussionen.
Gemeinsamkeiten von Plattformen: Ein Blick aus ökonomischer Perspektive
Bei aller Vielfalt an Geschäftsmodellen weisen Plattformen aus ökonomischer Sicht zentrale Gemeinsamkeiten auf, die ihre Funktionsweise prägen.
Externe Wertschöpfung statt interner Produktion
Plattformen agieren primär als Intermediäre und nicht als klassische Produzenten. Sie schaffen Strukturen für den Austausch zwischen Marktteilnehmern, statt selbst Waren oder Dienstleistungen anzubieten. So vernetzt Amazon Käufer und Verkäufer, während Airbnb Wohnraumanbieter mit Gästen zusammenbringt und Temu Vertragsabschlüsse zwischen dem Konsumenten in der Schweiz und dem Produzenten im Ausland vermittelt. Das Geschäftsmodell vieler Plattformen beruht dabei auf der Nutzung externer Ressourcen, die nicht in ihrem Eigentum stehen – etwa Wohnungen, Fahrzeuge oder persönliche Dienstleistungen. Sie ermöglichen die wirtschaftliche Verwertung dieser Vermögenswerte, koordinieren Angebot und Nachfrage und erzielen ihre Erlöse durch Transaktionsgebühren. Dies kann zu Effizienzgewinnen, einer besseren Ressourcennutzung und zusätzlichem Einkommen für private Anbieter führen. Kritisch wird vereinzelt angemerkt, dass Plattformen dabei Wert abschöpfen, ohne selbst in die Produktionsmittel oder soziale Absicherung der Leistungserbringenden zu investieren.
Daten als wichtiger Inputfaktor
Daten bilden damit das Fundament digitaler Plattformen. Jede Interaktion generiert Informationen, die für Nutzeroptimierung, Markterweiterung und Monetarisierung genutzt werden. Gerade grosse Plattformen haben Zugriff auf grosse Datenmengen und gewinnen durch den systematischen Einsatz von Daten Wettbewerbsvorteile und stärken ihre Marktmacht.
Netzwerkeffekte als Wachstumsmotor
Netzwerkeffekte sind einer der stärksten Wachstumstreiber von Plattformen: Je mehr Nutzer eine Plattform hat, desto wertvoller wird sie für andere. Dabei unterscheidet man:
- Direkte Netzwerkeffekte: Der Wert eines Netzwerks steigt mit der Anzahl an Nutzer (z.B. soziale Netzwerke wie Facebook oder X).
- Indirekte Netzwerkeffekte: Mehr Teilnehmer einer Gruppe erhöhen den Nutzen für eine andere Gruppe (z.B. mehr Käufer auf Amazon ziehen mehr Verkäufer an).
Diese Effekte können exponentielles Wachstum fördern, aber auch Marktzutritte von Wettbewerbern beeinflussen. Einige Plattformen setzen gezielt auf Preisstrategien, die ihre Netzwerkeffekte stärken – beispielsweise indem sie Konsumentinnen und Konsumenten kostenlose oder vergünstigte Dienste anbieten, deren Kosten durch Einnahmen von Werbetreibenden oder Händlern gedeckt werden.
Skalierbarkeit
Digitale Plattformen sind hoch skalierbar: Während klassische Geschäftsmodelle mit steigenden Kosten für Infrastruktur und Personal wachsen, können Plattformen grenzenlose Reichweite mit geringerem Mehraufwand erzielen. Sie expandieren dadurch global und verbinden Nutzer über Grenzen hinweg. Diese Skaleneffekte verschaffen ihnen strukturelle Vorteile gegenüber traditionellen Unternehmen.
Effizienzsteigerung durch reduzierte Transaktionskosten
Plattformen optimieren Märkte, indem sie Transaktionskosten senken:
- Minimierung von Suchkosten: Bessere Marktübersicht durch intelligente Suchalgorithmen und kuratierte Angebote.
- Abbau von Informationsasymmetrien: Nutzerbewertungen, Rezensionen und algorithmische Empfehlungen steigern die Transparenz und erleichtern Kaufentscheidungen. Gleichwohl ist zu beachten, dass die Darstellung der Informationen – etwa durch Such- und Ranking-Algorithmen – nicht immer vollständig nachvollziehbar ist. Dies kann die Vergleichbarkeit der Angebote beeinträchtigen.
- Vereinfachte Zahlungs- und Vertragsabwicklung: Plattformen übernehmen Treuhandfunktionen, standardisieren Verträge und reduzieren Unsicherheiten für Marktteilnehmer.
Diese Effizienzgewinne können jedoch dazu führen, dass Plattformen einen überproportionalen Anteil der Wertschöpfung abschöpfen.
Plattformen sind dynamische Strukturen, die sich kontinuierlich weiterentwickeln und unterschiedliche Funktionen erfüllen.
