Ge­ne­ra­tio­nen­ge­rech­tig­keit gerät ins Wan­ken

Das Wich­tigs­te in Kürze:

  • Ohne An­pas­sun­gen beim Re­fe­ren­zal­ter wird die Be­las­tung für die jün­ge­ren Ge­ne­ra­tio­nen lau­fend stei­gen.
  • An­de­re Län­der heben das Ren­ten­al­ter an – auch die Schweiz muss han­deln.
  • Die vom Bun­des­rat vor­ge­schla­ge­ne Re­form «AHV 2030» ist des­halb eine ver­pass­te Chan­ce. Bun­des­rat und Par­la­ment sind ge­for­dert, hier zu kor­ri­gie­ren.

Die fi­nan­zi­el­le Ab­si­che­rung im Alter ist ein zen­tra­les Ver­spre­chen un­se­rer Al­ters­vor­sor­ge. Damit diese Ab­si­che­rung ge­ne­ra­tio­nen­über­grei­fend funk­tio­niert, müs­sen die An­sprü­che der Rent­ne­rin­nen und Rent­nern mit jenen der jun­gen Ge­ne­ra­tio­nen gut aus­ba­lan­ciert sein. Wenn die­ser Aus­gleich ge­lingt, spre­chen wir von Ge­ne­ra­tio­nen-Ge­rech­tig­keit. Doch lei­der ge­lingt uns dies immer we­ni­ger. Wir steu­ern sogar auf das Ge­gen­teil zu: auf eine Ge­ne­ra­tio­nen-Un­ge­rech­tig­keit.

Das ist fahr­läs­sig und ge­fähr­lich, denn die de­mo­gra­phi­sche Ent­wick­lung ist ein Fakt. Der An­teil der über 65-jäh­ri­gen Men­schen wird in den kom­men­den Jah­ren wei­ter deut­lich zu­neh­men, wäh­rend die Zahl der Er­werbs­tä­ti­gen sta­gniert oder sogar sinkt. Hinzu kommt, dass die Ren­ten immer län­ger aus­be­zahlt wer­den, da wir län­ger leben. Klar ist: Ohne An­pas­sun­gen beim Re­fe­ren­zal­ter wer­den Steu­ern und Lohn­ab­ga­ben lau­fend stei­gen.

Der Re­form­be­darf ist seit lan­gem be­kannt. Trotz­dem ver­harrt der Bun­des­rat in einer Art Schock­star­re. Die von ihm vor­ge­schla­ge­ne Re­form «AHV 2030» ist eine ver­pass­te Chan­ce. Es kommt einer Ka­pi­tu­la­ti­on gleich, dass der Bun­des­rat bis 2040 das Ren­ten­al­ter nicht an­tas­ten will. Das ist ein kla­rer Bruch mit dem Prin­zip der Ge­ne­ra­tio­nen­ge­rech­tig­keit. Denn die Be­las­tung der jun­gen Ge­ne­ra­tio­nen nimmt lau­fend zu.

Pro­ble­me wer­den auf die lange Bank ge­scho­ben

Wer Re­for­men aus­schliess­lich über Mehr­ein­nah­men fi­nan­zie­ren will, la­gert die heu­ti­gen Pro­ble­me in die Zu­kunft aus. Und damit nicht genug: Wei­te­re Aus­bau­for­de­run­gen wie die Ab­schaf­fung des Ehe­gat­ten­pla­fonds wür­den die Jun­gen und Er­werbs­tä­ti­gen noch stär­ker be­las­ten. Dabei ist noch nicht ein­mal die Fi­nan­zie­rung der 13. AHV-Rente ge­löst.

Laut UBS-Ge­ne­ra­tio­nen­ana­ly­se be­läuft sich die im­pli­zi­te Ver­schul­dung der AHV schon heute auf 177 Pro­zent des Brut­to­in­land­pro­dukts (BIP) – das sind rund 1300 Mil­li­ar­den Fran­ken. Der Bar­wert der ge­sam­ten AHV-Ren­ten­ver­spre­chen über­steigt also den Bar­wert der zu­künf­ti­gen Ein­nah­men der AHV mas­siv. Vor die­sem Hin­ter­grund grenzt die Re­ak­ti­on der Schwei­zer Po­li­tik an Rea­li­täts­ver­wei­ge­rung. Ein Sys­tem, das lau­fend mehr aus­zahlt, als es ein­nimmt, und dabei immer stär­ker auf die Bei­trä­ge der jun­gen Ge­ne­ra­tio­nen zäh­len muss, ist weder nach­hal­tig noch sta­bil. Letzt­lich enden sol­che Mo­del­le oft in einer tie­fen Krise.

An­de­re Län­der han­deln

Doch es geht auch an­ders. Das zeigt ein Blick ins Aus­land. Et­li­che Län­der haben das Ren­ten­ein­tritts­al­ter an­ge­ho­ben oder pla­nen das in den nächs­ten Jah­ren tun. So zum Bei­spiel Deutsch­land, die Nie­der­lan­de, Dä­ne­mark, Schwe­den, Ita­li­en, Spa­ni­en oder Bel­gi­en. Ei­ni­ge die­ser Län­der ver­fü­gen sogar über einen An­pas­sungs­me­cha­nis­mus, der die Le­bens­er­war­tung mit­ein­be­zieht. In der Schweiz hin­ge­gen ver­schliesst man davor die Augen und spricht von feh­len­der po­li­ti­scher Mehr­heits­fä­hig­keit. Dabei wird aus­ge­blen­det, dass es in Tat und Wahr­heit die Auf­ga­be der po­li­ti­schen Füh­rung wäre, Mehr­heits­fä­hig­keit zu schaf­fen.

Die Vor­tei­le eines hö­he­ren Ren­ten­al­ters sind evi­dent: mehr Bei­trags­jah­re, we­ni­ger Ren­ten­jah­re, hö­he­re in­di­vi­du­el­le Vor­sor­ge, Ent­las­tung der Staats­kas­se. Die AHV-Fi­nan­zie­rungs­lü­cke lies­se sich durch eine An­pas­sung des Ren­ten­al­ters an die de­mo­gra­phi­schen Rea­li­tä­ten deut­lich re­du­zie­ren. Wer län­ger lebt, kann auch län­ger ar­bei­ten – und wer früh be­ginnt zu ar­bei­ten, soll­te fle­xi­bel frü­her auf­hö­ren kön­nen.

Der Staat muss Ver­ant­wor­tung für alle Ge­ne­ra­tio­nen über­neh­men. Immer hö­he­re Lohn­ab­ga­ben und Steu­ern be­las­ten die Er­werbs­tä­ti­gen und be­tref­fen ge­ra­de junge Fa­mi­li­en. Dazu wird die Wett­be­werbs­fä­hig­keit der Schwei­zer Wirt­schaft ge­schwächt, was der Fi­nan­zie­rung der AHV noch zu­sätz­lich scha­det. Das Par­la­ment muss ein­deu­tig kor­ri­gie­ren.

Dies ist ein Aus­zug des News­let­ters «Stand­punkt.» von eco­no­mie­su­is­se. Blei­ben Sie auf dem Lau­fen­den und mel­den sich hier di­rekt für den News­let­ter an.