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Fors­ter Roh­ner AG: Es werde Licht!

Das Sti­cke­rei­un­ter­neh­men be­weist mit dem welt­weit ers­ten wah­ren Hy­brid aus Tex­til und Tech­nik, wie tra­di­tio­nel­le In­dus­trie und Spit­zen­for­schung am Stand­ort Schweiz zu­sam­men­spie­len.

 

Die Tex­til- und Mo­de­welt prä­sen­tiert jede Sai­son neue Krea­tio­nen. Immer häu­fi­ger sind auch tech­ni­sche In­no­va­tio­nen dar­un­ter. Im letz­ten Jahr fun­kel­te die Abend­gar­de­ro­be des Mo­de­la­bels Akris dank kom­plex ge­stick­ter LED-Pail­let­ten auf dem Lauf­steg. Die ein­ge­setz­te e-bro­ide­ry-Tech­no­lo­gie ist welt­weit ein­zig­ar­tig und stammt vom St. Gal­ler Sti­cke­rei­un­ter­neh­men Fors­ter Roh­ner. Die Ver­ei­ni­gung von Licht und Tex­ti­li­en ist das jüngs­te Er­folgs­bei­spiel des hun­dert­zehn­jäh­ri­gen Tra­di­ti­ons­hau­ses.

Um 1870 er­reich­te die Schwei­zer Tex­til­in­dus­trie ihre Blü­te­zeit und kon­zen­trier­te sich auf das Drei­eck Zü­rich-Glarus-St. Gal­len. Da­mals be­schäf­tig­te sie rund zwölf Pro­zent der er­werbs­tä­ti­gen Be­völ­ke­rung. Heute sind es noch rund 0,3 Pro­zent. Die Eu­ro­kri­se und der star­ke Fran­ken ver­schärf­ten den lang­jäh­ri­gen Struk­tur­wan­del. Jene Un­ter­neh­men, die sich trotz allem gut im Markt hal­ten, müs­sen auf die Stand­ort­vor­tei­le der Schweiz set­zen, um mit lo­ka­ler Pro­duk­ti­on gegen die Kon­kur­renz aus Nied­rig­lohn­län­dern zu be­ste­hen: höchs­te Qua­li­tät, in­no­va­ti­ves De­sign und tech­ni­sche Neu­hei­ten.

Pio­nier der tech­ni­schen Sti­cke­rei
Im Rah­men der Wei­ter­ent­wick­lung die­ser Merk­ma­le wurde 2009 bei Fors­ter Roh­ner eine ei­ge­ne Ab­tei­lung für In­no­va­ti­on im Be­reich tech­ni­scher Tex­ti­li­en ins Leben ge­ru­fen. Ge­lei­tet wird sie von Jan Zim­mer­mann, der an der ETH In­ter­dis­zi­pli­nä­re Na­tur­wis­sen­schaf­ten stu­diert hat. «Die Firma hat be­wusst ent­schie­den, je­man­den zu holen, der kom­plett fach­fremd ist und somit ohne Scheu­klap­pen durch die Welt läuft», er­klärt Zim­mer­mann. Sein Auf­trag war offen ge­hal­ten und be­weist Ri­si­ko­be­reit­schaft: Sti­cke­rei-Know-how, ver­bun­den mit kom­plett neuen Ideen, soll­te den Zu­gang zu neuen Märk­ten öff­nen. Eine kon­kre­te Vor­stel­lung für ein Pro­dukt oder eine An­wen­dung hatte man indes noch kaum.

 

Als erste Idee ver­folg­ten Zim­mer­mann und sein Team den Ein­satz von So­lar­zel­len. Sie soll­ten mit­tels Pail­let­ten auf dra­pier­ba­ren Stof­fen zur En­er­gie­ge­win­nung auf Schir­men, Vor­hän­gen oder Mo­deac­ces­soires ein­ge­setzt wer­den. Zwei Jahre lang prüf­te man mit­hil­fe von For­schungs­ko­ope­ra­tio­nen die Rea­li­sier­bar­keit. Dann kam man zum Schluss, dass die tech­no­lo­gi­sche Her­aus­for­de­rung gross und die öko­no­mi­sche Ver­wert­bar­keit noch nicht ge­ge­ben war. Die Er­kennt­nis­se über die Be­sti­ckung von Tex­ti­li­en mit elek­tro­ni­schen Kom­po­nen­ten führ­ten in­des­sen zu meh­re­ren neuen Ideen. Man muss­te ein­fach wei­ter unten an­fan­gen, er­in­nert sich Zim­mer­mann: «Lasst uns etwas Ein­fa­che­res neh­men und das sau­ber um­set­zen, dann kön­nen wir den nächs­ten Schritt gehen.» Statt mit So­lar­zel­len wurde fort­an unter an­de­rem mit Licht ex­pe­ri­men­tiert.

LED there be light
«Ak­ti­ves Licht in Tex­til zu in­te­grie­ren ist eine neue Di­men­si­on im Stoff­de­sign, be­deu­tet aber auch eine Ein­schrän­kung durch tech­ni­sche Rah­men­be­din­gun­gen wie einer trag­ba­ren Strom­quel­le», er­klärt Zim­mer­mann. Die Lö­sung be­stand darin, die Strom­lei­tun­gen in die Sti­cke­rei zu in­te­grie­ren und durch eine klei­ne ab­nehm­ba­re Bat­te­rie zu ver­sor­gen. Zieht man diese ab, soll­te man die Stof­fe auch wa­schen kön­nen, so die Auf­ga­be. Wäh­rend die elek­tro­ni­schen Kom­po­nen­ten in­tern ent­wi­ckelt wur­den, holte sich Fors­ter Roh­ner Hilfe von In­ge­nieu­ren der In­ter­staat­li­chen Hoch­schu­le für Tech­nik NTB Buchs und Tex­til­de­si­gnern der Hoch­schu­le Lu­zern, um die Mach­bar­keit einer in­dus­tri­el­len Pro­duk­ti­on ihrer leuch­ten­den Sti­cke­rei­en aus­zu­wer­ten. Da­durch ge­lang es, die e-bro­ide­ry-Tech­no­lo­gie markt­taug­lich zu ma­chen. Die al­ler­ers­ten Pro­duk­te waren eine Vor­hang­se­rie für Création Bau­mann.

Für Zim­mer­mann ist dies erst der An­fang: «e-bro­ide­ry ist eine Schlüs­sel­tech­no­lo­gie, um mi­kro­elek­tro­ni­sche Bau­tei­le mit Tex­ti­li­en zu ver­bin­den.» Neben Mode und Dekor gäbe es po­ten­zi­el­le An­wen­dun­gen in der Fo­to­vol­ta­ik oder bei in­te­grier­ten Be­rüh­rungs- oder an­de­ren Sen­so­ren. Im me­di­zi­ni­schen Be­reich wäre der Ein­satz von EKG-Mes­sun­gen oder in der Licht­the­ra­pie denk­bar. Das Bei­spiel e-bro­ide­ry hat ge­zeigt: Um als KMU der­lei Vi­sio­nen zur prak­ti­schen Um­set­zung zu füh­ren, braucht es Ri­si­ko­be­reit­schaft und das rich­ti­ge Um­feld.

«Spit­zen»-Sti­cke­rei in der Schweiz
«Ei­gent­lich gibt es kaum einen teu­re­ren Ort, um In­no­va­tio­nen vor­an­zu­trei­ben als die Schweiz, wo die Lohn­kos­ten am höchs­ten sind.» Nur eine hö­he­re Wert­schöp­fung durch die er­ziel­te Spit­zen­qua­li­tät und In­no­va­ti­on kann das kom­pen­sie­ren. Der Zu­gang zu top aus­ge­bil­de­tem Per­so­nal und den breit­ge­fä­cher­ten Ex­per­ti­sen aus der uni­ver­si­tä­ren oder Fach­hoch­schul­for­schung sind daher für spe­zia­li­sier­te KMUs es­sen­zi­ell, um hy­bri­de Tech­no­lo­gi­en her­vor­zu­brin­gen. Bei Fors­ter Roh­ner waren es bis­her sie­ben For­schungs­ko­ope­ra­tio­nen über die För­der­agen­tur des Bun­des (KTI). Der un­ein­ge­schränk­te Zu­gang zum EU-För­de­rungs­fonds «Ho­ri­zon 2020» ist eben­falls wich­tig für Schwei­zer Un­ter­neh­men.

Auf lang­fris­ti­ge und daher ris­kan­te For­schungs­in­ves­ti­tio­nen zu set­zen, ist Teil der Zu­kunfts­stra­te­gie von Fors­ter Roh­ner. Wenn auch der Kern des Un­ter­neh­mens auf dem Ge­biet der hoch­mo­di­schen Sti­cke­rei liegt, so ist zum lang­fris­ti­gen Er­folg auch das Er­for­schen und Kom­mer­zia­li­sie­ren von tech­ni­schen Tex­ti­li­en not­wen­dig. Nur durch Zu­sam­men­ar­beit in in­sti­tu­tio­na­li­sier­ten – auch in­ter­na­tio­na­len – Netz­wer­ken bleibt St. Gal­len letzt­lich der Spit­zen-Clus­ter, der er seit Jahr­hun­der­ten ist.