Zip Beutel mit Teströhrchen

Co­ro­na-Sta­tis­ti­ken: Wir tap­pen wei­ter­hin im Dun­keln

Pro­fes­sor Ernst Fehr von der Uni­ver­si­tät Zü­rich hat be­reits im März 2020 drin­gend ge­ra­ten, in der Schweiz re­prä­sen­ta­ti­ve Tests durch­zu­füh­ren. Seit­her ist kaum etwas ge­sche­hen. Zwar wird deut­lich mehr ge­tes­tet als vor ei­ni­gen Mo­na­ten. Doch die Test­re­sul­ta­te ver­wir­ren mehr, als dass sie fun­dier­te sta­tis­ti­sche Grund­la­gen für se­ri­ös ab­ge­stütz­te po­li­ti­sche Ent­schei­de lie­fern wür­den. Dazu brau­chen wir drin­gend re­prä­sen­ta­ti­ve Stich­pro­ben. Wor­auf war­tet das BAG?

Kürz­lich haben wir dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Sta­tis­ti­ken des BAG über den Ort der An­ste­ckung völ­lig un­brauch­bar sind, um ei­ni­ger­mas­sen ver­läss­li­che Aus­sa­gen tref­fen zu kön­nen. Lei­der be­zieht sich die man­geln­de Da­ten­qua­li­tät nicht nur auf den Ort der An­ste­ckung. Viel­mehr ist die Aus­sa­ge­kraft der Zah­len zu den Co­ro­na-Fäl­len ge­ne­rell mi­se­ra­bel. Ers­tens wis­sen wir zwar, dass bei stei­gen­den Fall­zah­len ir­gend­wann ein «Point of no re­turn» kommt – ein Punkt, bei dem die Fall­zah­len ex­plo­die­ren. Wir wis­sen aber nicht genau, wann wir die­sen Punkt er­rei­chen. Die viel zi­tier­te Va­ria­ble «R» kann uns zwar einen Hin­weis geben, die Zahl ist je­doch ein Durch­schnitts­wert, der mit ei­ni­gen Un­si­cher­hei­ten be­las­tet ist. Die Grund­ge­samt­heit ist nicht be­kannt. Zudem wird «R» aus den Fall­zah­len be­rech­net und kann dem­nach eben­falls plötz­lich stei­gen.

Hohe Feh­ler­quo­te ver­fälscht das Ge­samt­bild

Zwei­tens sind die Tests nicht per­fekt. Sie lie­fern falsch-po­si­ti­ve und falsch-ne­ga­ti­ve Fälle. Von falsch-po­si­tiv spricht man, wenn eine Per­son auf Co­ro­na po­si­tiv ge­tes­tet wird, die Krank­heit aber gar nicht hat. Um­ge­kehrt hat eine falsch-ne­ga­tiv ge­tes­te­te Per­son die Krank­heit, be­kommt aber ein ne­ga­ti­ves Test­ergeb­nis. Die Per­son wähnt sich in Si­cher­heit, trägt je­doch das Virus und ist an­ste­ckend. Aus der Welt schaf­fen kann man diese Un­si­cher­heit nicht. Sie kann aber ver­min­dert wer­den, wenn man bei­spiels­wei­se Per­so­nen mit po­si­ti­vem Test­re­sul­tat noch­mals tes­tet. Sta­tis­ti­ker rech­nen heute damit, dass jedes fünf­te po­si­ti­ve Test­re­sul­tat falsch-po­si­tiv ist. Somit wer­den mit der heu­ti­gen Pra­xis zu viele Per­so­nen als krank dia­gnos­ti­ziert und müs­sen sich in Iso­la­ti­on be­ge­ben. Sie neh­men mög­li­cher­wei­se sogar un­nö­tig Me­di­ka­men­te ein.

Drit­tens va­ri­iert die Test­in­ten­si­tät im Zeit­ab­lauf. Zum Teil wur­den pro Woche 35’000 Tests ge­macht, manch­mal 70’000. Damit las­sen sich die Raten der po­si­ti­ven Tests kaum ver­glei­chen. Kommt hinzu, dass die Grund­ge­samt­heit der ge­tes­te­ten Per­so­nen va­ri­iert. Wer­den nur Per­so­nen ge­tes­tet, die Sym­pto­me auf­wei­sen, oder wird gross­flä­chig ge­tes­tet? So kann die Pro­zent­zahl der po­si­ti­ven Tests sogar sin­ken, ob­wohl die Be­völ­ke­rung stär­ker vom Covid-19-Virus be­fal­len ist.

Re­prä­sen­ta­ti­ve Stich­pro­be nötig

Wir tap­pen Co­ro­na-mäs­sig also weit­ge­hend im Dun­keln. Der un­be­frie­di­gen­den Si­tua­ti­on kann aber Ab­hil­fe ge­schaf­fen wer­den: Wir brau­chen end­lich eine re­prä­sen­ta­ti­ve Stich­pro­be der Be­völ­ke­rung, die re­gel­mäs­sig ge­tes­tet wird. Wäre der Bun­des­rat dem Rat von Öko­no­mie­pro­fes­sor Ernst Fehr im März ge­folgt, könn­ten wir jetzt viel bes­ser ab­schät­zen, ob wir das Co­ro­na­vi­rus wirk­lich im Griff haben. Wor­auf war­tet das BAG?